POSTHUM

„Lasst Blumen sprechen“
so nannte mein Mann Hans-Ulrich Hellmann diese Arbeiten.
Sie waren Teil einer Ausstellung im nasskalten Deutschland, Dezember 2011. Einen Hauch von Frühling wollte er den Besuchern vermitteln - die Sehnsucht nach Licht, Sonne, Wärme, frischen Farben, nach Leben stillen.
Denn wer sehnt sich in der dunkelsten Jahreszeit nicht danach?
Der Frühling ist es, der die Natur zum Leben erweckt. Auch wir Menschen gehören zur Natur und werden durch den Frühling neu belebt. Sie kennen alle diese unheimlichen, tolldreisten, ja verführerischen Frühlingsgefühle. Und weil Sie diese Gefühle kennen, können Sie sich auch danach sehnen. Wenn es dann im März im Norden Europas frühlingshaft wird, erkennen Sie den Frühling , werden von Frühlingsgefühlen erfüllt, außen sowohl als auch innen .
Hier geht es nun um Kunst und Kunst kommt etymologisch von Kennen und Erkennen und nicht ausschließlich von Können.
Sie können also den Frühling nur erkennen, wenn Sie ihn vorher kennen gelernt haben. Und wer nichts kennt, kommt demzufolge auch nicht zu einer Erkenntnis.
Doch Malen an sich hat noch lange nichts mit Kunst zu tun. Denn Malen definiert sich ausschließlich durch die Verwendung von Farbe, ist also eine rein handwerkliche Angelegenheit.
In den Bildern von Hans-Ulrich Hellmann geht es aber nicht darum, dass Sie jede Blume namentlich erkennen müssen, nein, es geht ihm um die Lebens- und Sinnesfreude, um Frühlingsgefühle, die Blumen in ihm ausgelöst haben. Das ist es, was er in diesen Bildern zum Ausdruck gebracht hat.
Blumen sprechen, sie sind nicht nur farbig. Es sind auch Symbolträger, es sind Lebewesen wie du und ich. Sie werden geboren, wachsen heran, blühen auf und verwelken.
Es gab eine Zeit, in der sich Hellmann malerisch mit Pinsel und Farbe , mit Pastellkreiden – wie er es nannte - an Blumen vergangen hat. Damals hat er sie nur abgemalt.
Aber Künstler und Künstlerinnen bringen immer auch die Zeit, in der sie leben, zum Ausdruck. So wurde Hellmann immer wieder gefragt: „Mensch Hellmann, wann kommst du mit deiner Kunst in der Gegenwart an?“. Es war die Rede vom digitalen Zeitalter. Trotz seiner massiven Abneigung gegen dieses Zeitalter hat er sich aber dann, als nicht Digitalgeborener, Zähne knirschend mit dieser Technik auseinandergesetzt.
Die Ergebnisse zeigen, wie er auch in diesem Metier seine Ausdruckskraft umsetzen konnte. An dieser Stelle möchte ich aus dem Katalog Hans-Ulrich Hellmann „Retrospektive 1978-1997“ , Thomas Friedrich zitieren, der aufgrund seiner Aktualität, auch nach 22 Jahren, nichts verloren hat. Dort heißt es u.a.... :“nicht nur im Setzen von Farbe besteht künstlerische Praxis, sondern immer auch im Weglassen oder Entfernen derselben. Künstlerische Praxis als Dialektik von Konstruktion und Dekonstruktion von Material gerät auch in diesen Arbeiten Hellmanns zum thematischen Mittelpunkt.“ Was bis dato die positive wie negative Funktion des Pinsels war, übernimmt nun die Maus, bzw. der digitale Pinsel.
Zum Schluss das Fazit meines Mannes nach dieser Arbeit:
„Ich benötige kein großes Atelier und auch kein großes Lager mehr für meine Bilder. Mein Kopf ist mein Atelier, die Kamera ist mein zweites Gehirn und der Computer ersetzt Lager, Pinsel und Farbe. Ich bin also im Heute, im Hier und Jetzt angekommen.“
Regina Hellmann ,
Januar 2020


aus dem Zyklus "Lasst Blumen sprechen" 2011, Computer unterstützte Malerei



